Historische Schwarzerde - Auch in Europa

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Jonas Léchot
Beiträge: 44
Registriert: Do 10. Jan 2013, 17:15

Historische Schwarzerde - Auch in Europa

Beitrag von Jonas Léchot »

Liebe Terra-Preta-Tüftler und Interessierte!

Nachdem vor kurzem entlang der Elbe im Norden Deutschlands eine durch die Slaven gebildete Schwarzerde entdeckt wurde kann ich nun auch von so einer Schwarzerde aus dem Tessin in der Schweiz berichten. Die Fläche, wo die Erde schwarz ist (und demzufolge stark mit Kohle angereichert), ist nicht atemberaubend gross, dennoch sind einige direkt sichtbare Stellen pechschwarz. Einen Spaten hatte ich keinen dabei um zu schauen, wie tief und auf welcher Fläche die Erde mit grösseren Mengen Holzkohle versetzt ist. Klar ist jedoch, dass der Eintrag von Holzkohle vor ungefähr 500 Jahren aufgehört hat.
Die Schwarzerde befindet sich auf ca. 600 m.ü.M. in einer natürlichen Terrasse in den steilen Hängen der Tessiner Bergen. Rundherum sind verlassene Kastanienwälder die mittlerweile ziemlich stark unter dem Befall durch die Gallwespe leiden.
Ich habe eine Dose voll von dieser schwarzen Erde mitgenommen, eventuell kann ich damit einen kleinen Keimtest machen.
Das Foto ist von einem Einschnitt in die Erde als sie einen Kiesweg gebaut hatten.

Viele Grüsse!
Jonas
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Erdfreund
Beiträge: 97
Registriert: Di 15. Jul 2014, 11:57

Re: Historische Schwarzerde - Auch in Europa

Beitrag von Erdfreund »

Hallo Jonas,

in der Tat eine spannende Beobachtung!

Aus der Bodenkundevorlesung vor vielen Jahrzehnten erinnere ich noch die Lehrmeinung, Schwarzerden seien unter Steppenverhältnissen natürlich entstanden. Das mag oft gelten.

Liest man heute nach, gibt es gelegentlich interessante Ansätze einer Neubewertung. Zum Beispiel dass häufige Brände in den Steppen Kohle erzeugt hätten, die die Schwarzerde oft über Jahrtausende konserviert hätten. Und dass steinzeitliche Siedlungen bevorzugt in Schwarzerdegebieten gelegen hätten. Wegen der hohen Fruchtbarkeit.

Kann es nicht auch - zum Teil vielleicht - anders gewesen sein? Steinzeitliche Kulturen, die selber Schwarzerde erzeugt haben? Oder vorhandene günstige Böden weiter verbessert haben?

Auch bei der Terra preta do Indio war man anfangs der Meinung, es handele sich um natürliche Böden, zum Beispiel vererdete Schlammanlagerungen in Senken von ausgetrockneten Seen. Bis man die wahren Ursachen gefunden hat.

Noch eine kleine Anmerkung. Im Prairiegürtel Nordamerikas gibt es auch Schwarzerden. Dort haben Siedler im 19. Jahrhundert die Indigenen bekämpft und vertrieben. Ihnen das fruchtbare Land geraubt. Die haben sich lange und heftig gewehrt. Haben sie vielleicht auch nicht "nur" den fruchtbaren Boden genutzt, sondern selber (mit) hergestellt?

Ich fände es hoch spannend, wenn es eine neue Schwarzerde-Forschung gäbe. Wenn etwas an dem stärkeren menschlichen Einfluss dran ist, wird er über kurz oder lang entdeckt werden.

Bis dahin ist ein wichtige Aufgabe der "Cloud" von Interessierten, immer wieder Beobachtungen und Impulse zu geben.

Danke für Deinen Impuls!

Beste Grüße
Erdfreund
Jonas Léchot
Beiträge: 44
Registriert: Do 10. Jan 2013, 17:15

Re: Historische Schwarzerde - Auch in Europa

Beitrag von Jonas Léchot »

Hallo Erdfreund!

ich habe glaube nicht präzisiert, was als Ausgangslage für diese Schwarzerde war, nämlich ein Podzol mit ziemlich viel grobkörnigem Glimmer. Bei der sandigen Textur und den hohen tessiner Niederschlägen (~1600mm im Jahr) kann sich unmöglich ein solcher Boden ohne menschlichen Eingriff bilden. Drei Mitarbeiter vom WSL Schweiz (Wald, Schnee & Landschaft Forschungsinstitut) haben mir bestätigt dass im Boden relativ viel Holzkohle enthalten ist.
Dass die Prairien des mittleren Westen der USA viel Holzkohle enthalten habe ich auch gehört. Irrtum vorbehalten liegt dort 50% des Boden-Kohlenstoffs als Holzkohle vor. Ob diese Schwarzerden menschengemacht sind kann ich nicht sagen.

Ich würde behaupten dass anthropogene Schwarzerden ab dem Neolithikum entstanden sein können. Nur ist dass Problem, dass das Neolithikum an verschiedenen Orten um verschiedene Zeiten begonnen hat.

Die Steppen-Schwarzerden (z.B. wie in der Ukraine) enthalten meines Wissens keine nennenswerte Mengen Holzkohle und sind primär durch ein hohes Photosynthese/Respiration Verhältnis entstanden. Das heisst die Temperaturen waren im Schnitt tief genug um den Abbau von Kohlenstoff stärker zu bremsen als die Photosynthese nachliefert.

Auch gibt es auf der Île de Réunion humusreiche Böden. Der primäre Grund für die hohe Humusstabilität auf dieser Insel ist auf amorphe Tonmineralien vulkanischen Ursprungs zurückzuführen.
Ich habe nach dem Beimischen vom Zeolith-reichen Urgesteinsmehl "Vulkamin" in den Mutterboden festgestellt, dass die kurz nachher entstehenden Wurmköttel deutlich dunkler waren als der Mutterboden. Vermutlich ein Humusstabilisationseffekt dieser Tonmineralien.

Ich muss gestehen dass ich diese Schwarzerde total zufällig entdeckt habe. Ich wüsste nicht wie man systematisch nach anthropogenen Schwarzerden suchen könnte, ausser bei archäologischen Ausgrabungsstätten zu suchen. Es könnte aber auch gut sein, dass einige Zivilisationen keine permanenten Mobilien und Immobilien hatten und daher keine Fundstätte davon existieren.

beste Grüsse!

Jonas
Marko Heckel
Beiträge: 188
Registriert: So 26. Sep 2010, 21:00

Re: Historische Schwarzerde - Auch in Europa

Beitrag von Marko Heckel »

Hallo Jonas,

ich war ja mal zwei Wochen als Student der Geoökologie im Tessin im Onsernonetal und da haben wir fleißig Bodenuntersuchungen gemacht. Bei einer Wanderung haben wir kreisrunde d=5-10m Köhlerstellen mitten im Wald besichtigt, auf angelegten kleinen Terassen am Hang. Die Köhlerei war dort bis vor einem Jahrhundert ein wichtiger Wirtschaftszweig. Die Holzkohle wurde dann mittels Lastenseilbahn an hunderte Meter langen "Eisendrähten" auf die andere Talseite zur Straße befördert. Die von uns besichtigten Köhlerstellen waren aber auf der nordzugewandten Schattenseite in Buchenwäldern. Die südzugewandten Esskastanienwälder und Wiesen waren eher für Bauholz und Weide bzw. Wein und Roggenanbau. Siedlungen und Straße war immer auf der südzugewandten Seite. Sehr interessante Verbindung von Siedlungen, Wirtschaft, Sonnenlichteinfall und Ökologie. An den alten Köhlerstellen gibt es heute sicherlich Schwarzerdeböden. Warum glaubst Du dass der Boden mindestens 500 Jahre alt ist?

Gruß Marko
Jonas Léchot
Beiträge: 44
Registriert: Do 10. Jan 2013, 17:15

Re: Historische Schwarzerde - Auch in Europa

Beitrag von Jonas Léchot »

Hallo Marko,

Holzkohle aus Kastanienholz ist sehr geeignet. Auf dem Foto sind die Farben des Bodenprofils nicht genau zu sehen. Wenn man genau hinschaut, sieht man jedoch, dass die oberen 10cm Erde "nur" braun sind, wogegen die untere Schicht eindeutig mit Holzkohle angereichert ist und demzufolge schwarz erscheint. Die mineralische Basis des Bodens kann den hohen Humusgehalt mit Sicherheit nicht erklären, die Textur ist äusserst sandig wo die Erde nicht schwarz ist. Die schwarze Erde hingegen ist in der Konsistenz ähnlich reifem Wurmkompost.
Bei der Stelle handelt es sich nicht lediglich um einen ehemaligen Köhlerhaufen, die Ausdehnung der Schwarzerde ist über ca. 100 m Breite. Man müsste allerdings viele Bodenproben nehmen um zu schauen, wo der Humus- bzw. Holzkohlegehalt wie hoch ist.

Viele Grüsse,
Jonas
Erdgeist
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Registriert: Mo 10. Feb 2014, 09:06

Re: Historische Schwarzerde - Auch in Europa

Beitrag von Erdgeist »

Jonas Léchot hat geschrieben:Auf dem Foto sind die Farben des Bodenprofils nicht genau zu sehen. Wenn man genau hinschaut, sieht man jedoch, dass die oberen 10cm Erde "nur" braun sind, wogegen die untere Schicht eindeutig mit Holzkohle angereichert ist und demzufolge schwarz erscheint.
Ich sehe zwar keinen eindeutigen Farbunterschied am Foto; aber vielleicht gibt es Werte ueber die lokale Bodenanschwemmungsrate per Zeit. Man muesste mal einen Schnitt in ungestoertem Boden machen; eine starke Durchsetzung mit Steinen wuerde wohl agrikulturellen Ursprung eher unwahrscheinlich machen.

Bei agrikulturellem Ursprung muessten sich auch Zeichen permanenter Besiedelung finden lassen, etwa Artefakte. Es macht keinen Sinn einen solchen Boden zu schaffen wenn man dort nicht permanent siedelt.

Ein Blick auf die Morphologie der umgebenden Haenge koennte klaeren ob die Holzkohle vielleicht von dort nach Waldbraenden von Regen heruntergewaschen wurde. In diesem Fall wuerde es sich um eine "Holzkohleader" handeln, die dem Lauf des Wassers folgt.


Ja, und dann noch die Koehler-These von Marko.


Ob es sich tatsaechlich um Holzkohle handelt, das muesste man eigentlich unter dem Mikroskop sehen....
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