Amazonas - Auf den Spuren von Terra Preta
Einführung: Terra Preta und der Regenwald
Der Regenwald! Dieser Mythos. Diese lebendigste aller Landschaften. Schon in der Grundschule hörte ich Geschichten über den Dschungel des Regenwaldes: undurchdringliches Pflanzendickicht; die drei Stockwerke Baumriesen, normale Bäume und Unterwuchs; dampfender Nebel, Punkt 14 Uhr Regen. Endlich mit vierzig bereise ich 6 Wochen den Amazonas mit meiner brasilianischen Freundin Luciana als Übersetzerin und Töchterchen Yara (2Jahre), benannt nach der amazonischen Flussgöttin. Der Amazonas, dieser größte aller Flüsse durch den größten aller Regenwälder auf einer Fläche so groß wie Europa. Die Arbeit mit EM-Effektiven Mikroorganismen, mit der amazonischen Schwarzerde Terra Preta und mit dem Wasserhaushalt der Erde hat uns hierher gebracht.
Wir starten von Manaus dieser Weltstadt mitten im Amazonasdschungel, die nur per Schiff oder Flugzeug erreichbar ist und wollen 1700 km den Amazonas hinab bis zur Mündung bei der Millionenstadt Belém und der schweizgroßen Flussinsel Marajó.
In Deutschland betreibe ich die Firma TriaTerra die Terra Preta-Produkte und EM-Effektive Mikroorganismen für Kleingärtner und Landwirtschaft herstellt. Terra Preta ist portugiesisch für schwarze Erde. Diese für Jahrtausende fruchtbare Schwarzerde wurde von untergegangenen Zivilisationen im Amazonasgebiet hergestellt vor 500-7000 Jahren. Lange wußte man nicht wie. Ein Teil der Geheimnisse wurde von Bodenwissenschaftlern und engagierten Kleingärtnern jetzt gelüftet. Holzkohle, organisches Material und eine besondere Mikrobiologie lassen Terra Preta entstehen und über die Jahrhunderte selber wachsen. Amazonien ist fleckenweise hier einige Hektar dort ein paar Hundert Quadratmeter damit übersät. Bis zu 10 Prozent der Fläche Amazoniens sind entsprechend verändert, immer da wo früher Städte oder Dörfer der Amazonasindianer waren.
Novo Airão und ein Nationalpark am Rio Negro
Unsere erste Station ist die Kleinstadt Novo Airão 100 km stromaufwärts von Manaus am Rio Negro gelegen. Dieser Zufluß des Amazonas ist hier im Nationalpark Anavilhanas schon bis zu 27 km breit und ein Gewirr von Flussinseln, Seen, Kanälen und überschwemmten Wäldern. Von unserer Pousada hatten wir einen weiten Blick auf den Rio Negro. Die hölzernen Fischerboote tuckerten vorbei, die schwarzen Geier Urubu kreisen in Schwärmen über uns und manchmal sieht man die Rückenflossen der kleinen schwarzen Flussdelphine und auch des großen rosa Amazonasdelphins Boto-rosa aufblitzen. Der Wasserspiegel schwankt hier um 11 m zwischen dem Höchststand im Juli und dem niedrigsten Stand im November. Viele Sandstrände und Inseln tauchen zum Niedrigwasser aus dem Amazonas auf und Kaimane sonnen sich dann gerne am Ufer, wir waren aber im Februar da und das Wasser stand schon recht hoch.
Beim Spazieren durch die Straßen von Novo Airão sehe ich überall Keramikscherben und dunkle Erde. In den Vorgärten, im Straßengraben auf dem Fußballplatz und selbst auf dem Parkplatz unserer Pousada zeichnet sich ein 60 cm durchmessender eingegrabener Keramiktopf ab. Einige der Keramikscherben sind fein gearbeitet und wunderschön verziert. Die Einwohner fahren mit Motorrad und Auto achtlos darüber hin, bauen ihre Häuser und Straßen darauf und viel wird durch Erosion einfach in den Fluß gespült.
Hier muß eine große Siedlung gelegen haben mit hochstehender Keramikindustrie. Wo immer man in Flussnähe den Spaten in die Erde steckt hat man gleich ein paar Scherben und dunkle Erde in der Hand. Nicht ganz so schwarz wie echte Terra Preta, eher eine braune Erde (Terra mulatta) aber immerhin. Welche Geschichten sind hier vergraben? Wieviel Menschen haben hier wie lange gelebt, um diese riesige Menge an Keramik zu produzieren? War hier eine Stadt oder ein großes Dorf, gehörte es zu einem großen Reich? Wieviele Jahrhunderte oder Jahrtausende alt sind diese Hinterlassenschaften? Das Mindestalter sind wohl 500 Jahre, weil nach den ersten Kontakten mit Europäern und europäischen Krankheiten die amazonischen Zivilisationen zusammen gebrochen sind. Von den Europäern unbeabsichtigt eingeschleppte Krankheiten wie Masern, Grippe, Malaria und viele andere haben innerhalb weniger Jahrzehnte 90 % der Amazonasbewohner dahin gerafft. Der Rest hat sich von den Gartenstädten und einer dauerhaften Landwirtschaft abgewendet und ist zu einer wandernden Brandrodung und halbnomadischen Lebensweise übergegangen um Krankheiten und Sklavenfängern zu entgehen.
Novo Airão hat kein Museum und keine archäologischen Ausgrabungen. Informationen zur Geschichte der Vorbewohner gibt es nicht. Die Attraktion von Novo Airão ist der benachbarte Nationalpark Anavilhanas und eine Delphinstation, die sich aus einem Restaurant entwickelt hat, welches regelmäßig Delphine fütterte. Hier kommen heute stündlich 5-10 wilde und freie Boto-Rosa zur Fütterung mit frischem Fisch. Die ca. 100 kg schweren und gut 2 m langen seltsam geformten Tiere sind mit ihrer langen Schnauze und dem flexiblen Körper perfekt angepasst an das Stochern im Flußschlamm und das Durchschwimmen von Wurzelgestrüpp. Wer sich traut darf mit den Delphinen spielen und sogar schwimmen, wenn die eine beißfreudige Delphindame nicht dabei ist.
Der Rio Negro ist nährstoffarm und sauber, deswegen gibt es kaum Mücken und keine Malaria. Die dunkelbraune Farbe des Flusses rührt von ausgespülten Huminstoffen aus den Böden des Einzugsgebietes. Mit einem Bootsführer in einem schnellen Alu-Motorboot machten wir einen Ausflug in die Kanäle und Seen des Nationalparks Anavilhanas und einen Abstecher in den Dschungel. Wir legten an einer kleinen Brandrodung an mit Maniokpflanzen. Das Feld am steilen Ufer schien gerade groß genug für eine kleine Familie. Die Wurzeln des 1,5-5 m hohen Maniokstrauches werden nach ca. einem Jahr geerntet und zu dem beliebten Maniokmehl farinha/farofa verarbeitet, das bei keinem Essen in Brasilien fehlen darf. Brandrodung funktioniert im Regenwald nur, wenn man vorher mit Eisenäxten oder Kettensägen die Bäume und großen Sträucher fällt und es entsteht nur Asche aber keine Holzkohle dabei. Außerdem sind die Flächen nach wenigen Jahren erschöpft und werden aufgegeben. Die ursprünglichen Zivilisationen am Amazonas dagegen haben in Runddörfern und Gartenstädten gelebt und eine dauerhafte Landwirtschaft betrieben mit Bäumen, wie Paranuss, Avocado, Açaí- und Pfirsichpalme, mit Stauden und kleinen Bäumen wie Banane, Papaya und auch mit Maniok. Eine hoch effiziente Landwirtschaft oft auf selbst hergestellter, dauerhaft fruchtbarer Terra Preta. Im ganzen Amazonasbecken kann man diese Kulturbäume noch heute nachweisen. Amazonien ist kein unberührter Dschungel, sondern ein verwilderter Garten.
Es ist nach zwei Wochen Zeit sich von Novo Airão zu verabschieden. Auf zum Hafen und den Hängemattenfähren, in denen man Hintern an Hintern und Fuß an Kopf zu hunderten gemeinsam dahin schaukelt. Die typischen Hängemattenfähren sind breite Schiffe mit geringem Tiefgang, damit sie bei den Untiefen und Schlamminseln des Amazonas nicht stecken bleiben. Die hölzernen Schiffe für 200 Hängematten oder die noch größeren eisernen Schiffe für bis zu 800 Menschen türmen sich zwei, drei oder sogar vier Stockwerke hoch. Der perfekte Abenteuerspielplatz für unser Töchterchen, mit Bar und Küche und manchmal sogar Fernsehen für die aktuelle Telenovela. In jedem Hafen kommen Händler an Bord mit warmem Essen und allerlei Kleinigkeiten zum Verkaufen. Auf hoher See würden die Schiffe wohl Schwierigkeiten bekommen, aber auf dem Amazonas ohne Wellen und mit wenig Wind sind sie perfekt angepasst.
Wir machen uns auf den Weg zur nächsten Station Alter do Chão 700 km flussabwärts am bis zu 20 km breiten Zufluß Tapajós gelegen, die brasilianische Karibik mit blitzsauberem Wasser und endlosen weißen Sandstränden bei Niedrigwasser. Am Tapajós kann man einen Blick in die jüngere Geschichte Amazoniens werfen.
Kautschuk und immer wieder Kautschuk!
Fordlandia (gegründet 1928) und Belterra (gegründet 1934) zwei utopische Städte wurden hier am Tapajós von Henry Ford in den Dschungel gesetzt, mit dem einen Ziel Kautschuk für Ford-Autowerke zu produzieren. Belterra liegt wenige Kilometer von Alter do Chão entfernt und wir haben es auch besucht auf der Suche nach Terra Preta.
Für die industrielle Revolution brauchte man drei Sachen: Kohle, Stahl und Kautschuk. Ohne Dichtungen aus Kautschuk keine effizienten Dampfmaschinen, Pumpen, Motoren, ohne Kautschuk keine Reifen, keine Scheibenwischer, Gummiriemen, Schläuche und vieles mehr. Kautschuk und Kautschukbäume gab es nur wild und weit verteilt im Amazonasdschungel. Gewonnen wurde der Kautschuk meist von indianischen und afrikanischen Sklaven für rücksichtslose und superreiche Kautschukbarone. Die Ford-Autowerke der 1920er und 30er Jahre brauchten Unmengen an Kautschuk. Also versuchte Henry Ford Kautschukplantagen und eine moderne Industriestadt mitten in Amazonien aufzubauen. Geplant und gebaut wurde ein echtes Utopia, mit modernen Arbeitersiedlungen, Krankenhäusern, Wassertürmen, einem Hafen und Fabriken. In Fordlandia sind alle Kautschukbäume eingegangen, mehrfach und schließlich gab es wegen der strengen, fremden Regeln einen Arbeiteraufstand. In Belterra (schöne Erde) mit viel Terra Preta haben die Bäume überlebt, waren aber so krank von einem Blattpilz, das sie nie in die Produktion kamen. Seit damals beliefern aber erfolgreiche Kautschukplantagen in Asien den Weltbedarf. Brasiliens Monopol auf Kautschuk war gebrochen, die Preise fielen. Den Sprung nach Asien hat der gefürchtete Blattpilz bis heute nicht geschafft. Die typischen US-amerikanischen Einfamilienhäuser in Belterra und Fordlandia mit Vorgarten, Auffahrt, Küche und Wohnzimmer stehen heute 90 Jahre später aber immer noch.
Belterra – Schöne Erde
Die Terra Preta in Belterra hat uns von den Socken gehauen. Bei den ersten beiden Plätzen dachte ich noch an einen Irrtum und wir würden auf großen Kompostmieten stehen. Bei der dritten und vierten Stelle und schließlich auf dem heilgien Berg über der Stadt Alter do Chão habe ich es endlich glauben können. Das war nicht nur etwas braune oder schwarze Erde sondern wie reiner Kompost oder Torf. Humusgehalte eher bei 50 % statt 10-20% wie bei normaler Terra Preta. Wenn man über den Boden dahin schritt federte er richtig und klang hohl. Sowas geht eigentlich nur im Moor oder Sumpf, aber hier waren definitiv trockene nicht überschwemmte Böden. Vielleicht kann das nur ein Bauer oder Bodenkundler verstehen. Das war ein echtes Wunder! Nicht nur ein bisschen Holzkohle und Abfälle wurden hier eingebracht, sondern die Erschaffer dieser Böden haben ein biologisches System in Gang gesetzt, das von alleine aus abgestorbenen Pflanzen immer mehr dauerhaften Humus aufbaut. Humus gibt es in tropischen Böden eigentlich nicht. Durch die Wärme und Feuchtigkeit wird organisches Material sofort abgebaut. Ein Laubblatt das in Deutschland in 6 Monaten verrottet braucht in den Tropen nur zwei Wochen. Tropische Böden sind normal humusarm, ausgelaugt und sauer. Die Terra Preta von Belterra stellt das alles auf den Kopf.
Alter do Chão: Die Karibik Brasiliens
Alter do Chão war der charmanteste Ort unserer Reise gegenüber weißen Sandstränden mit Livemusik jeden Abend selbst außerhalb der Saison. Viele Weltenbummler und Künstler haben sich in diesen Ort verliebt und sind da geblieben. Der wunderschön gestaltete Marktplatz mit Ständen mit indianischer Kunst, traditionellen Imbissen. In der Mitte ein kleiner Park mit Pavillon, Blumen und Bepflanzungen in guter Erde. Nanu? Die Blumenerde sieht aber verdächtig schwarz aus. Tatsächlich, Terra Preta mitten auf dem Marktplatz. Die Terra Preta-Erde wird oft lokal mit Schippe und LKW abgebaut und für Blumenerde und Pflanzungen verwendet, so auch in Alter do Chão.
Marajó die Flussinsel
Wir wären gern noch geblieben, aber der Amazonas ruft. Mit der großen Hängemattenfähre dampften wir gemütlich von Santarém flußabwärts, 1000 km in zwei Tagen, erst nach Belém und dann nach Marajó. Marajó ist eine topfebene Insel in der Flußmündung des Amazonas so groß wie die Schweiz. Marajó wird von der Diktatur des Wassers beherrscht erkannte Priester Giovanni Gallo, der das erste und einzigartige Museum für indianische Keramikkunst ins Leben rief. Regelmäßige Überschwemmungen und ständiger Regen bestimmen den Rhythmus der Menschen auf der Flußinsel. Marajó ist berühmt für seine vielen Wasserbüffel und für endlose Überschwemmungswiesen. Der Wasserbüffel wurde erst von den Europäern eingeführt. In Amazonien gab es vorher keine domestizierbaren Tiere. Fünf Tage lang aßen wir Büffelsteak, Büffelbutter und Büffelkäse. Reis und Bohnen gehören zu jedem Essen in Brasilien dazu. Ich hatte mich schon gefragt wo der ganze Reis herkommt. Jetzt weiß ich es. Marajó! Auf der beschwerlichen Fahrt zum Indianermuseum sind wir stundenlang an großen Reisfeldern vorbei gefahren, mit dutzenden Mähdrescher auf dem Feld und alle paar Minuten kam uns ein Riesenlaster mit Reis entgegen.
Aber wo bleibt die Terra Preta und die Indianer? Auf Marajó gibt es die berühmten 20 m hohen Hügel die nur aus Keramikscherben und Terra Preta bestehen. Siedlungen in der Überschwemmungsebene hatten diese Hügel über die Jahrhunderte angehäuft, um ein bisschen trockenes Land zu gewinnen für Häuser und Gärten. Wir haben es nicht geschafft so einen Terra Preta-Berg zu besuchen, sie liegen mehrere Tagesreisen im Landesinneren. Dafür besuchten wir das Museum des 2003 gestorbenen Priesters Giovanni Gallo, mit kunstvoll verzierten Keramikgefäßen aller Größen bis 200l, mit Keramikfiguren und auch keramischen Lendenschurzen für Frauen, die den Bikinis in Rio in nichts nachstehen.
Giovanni Gallo hat die Keramiken und die indianischen Muster studiert und stilisiert in Büchern veröffentlicht. Diese stilisierten Muster findet man heute überall in der Region bis zur Millionenstadt Belém. Am Hafengebäude, an der Polizeistation, an Schulen und Hotels auf Hemden und in tausend Varianten in den Kunstgewerbeläden.
Der Priester hat aus den runden geschwungenen Wellen und Wirbeln aber stilisierte eckige Muster gemacht, wie sie die Marajóbewohner nie verwendeten. Interessant, denn friedliche, matriachale Kulturen sind bekannt für lebendige Kunst mit Schlange, Spirale und Welle, während kriegerische patriachale Kulturen meist eckige abstrakte Darstellungen schaffen.
Terra Preta fanden wir dann doch noch, direkt neben unserer Pousada unter zwei großen, knorrigen etwa hundert Jahre alten Mangobäumen. Diese Terra Preta hatte nur wenige Scherben, war richtig schwarz, aber nicht so torfartig wie in Alter do Chão. Wahrscheinlich 10-20 % Humusgehalt. Die Mangobäume deuteten darauf hin, dass diese Terra Preta vielleicht erst in jüngerer Zeit entstanden ist. Der Mangobaum ist ursprünglich aus Indien und kam erst nach Kolumbus nach Amerika. Riesige alte Mangobäume sind typisch für jüngere Dörfer und Städte in Amazonien. Belém z.B. ist seit 100 Jahren die Stadt des Mangobaums mit majestätischen Mangoalleen. All diese Mangos werden übrigens heute kaum gegessen, da sie faserig sind und nur manchmal für Saft genutzt.
Açaí: Aus der Vergangenheit für die Zukunft
Die Fähre zu unserem letzten Ziel fuhr durch viele, kleine Seitenarme im Amazonasdelta, so dass unser Riesenschiff kaum durch passte. Fröhliche braun gebrannte Kinder grüßten uns von Holzkanus. Schnelle Motorboote hängten sich an unsere Fähre und verkauften süßen Maisteig, Paranüsse oder Shrimps zum knabbern. Am Flußufer tauchen alle paar hundert Meter Hütten, Kirchen und Schulen aus Holz auf, die auf Pfählen ans Ufer gebaut waren. Hier spielt sich alles auf dem Wasser ab. Um jedes Haus und kleines Dorf gruppierten sich dünne hohe Açaípalmen die immer gleich zu viert oder fünft wachsen, meist mitten im Wasser.
Açaí ist einer von den über 100 nachgewiesenen Kulturbäumen der Amazonaszivilisationen und hier im Delta ist Açaí sogar Grundnahrungsmittel. Die kleinen tiefblauen Früchte hängen in großen Trauben in 5-15 m Höhe. Wie die Einheimischen an den dünnen Stämmchen zur Ernte hochklettern ist mir ein Rätsel. So wie sonst in Brasilien jeden Tag Reis und Bohnen gegessen werden, so wird hier Açaí und Maniok, Açaí und Banane oder heute auch Açaí und Reis gegessen. Açaí schmeckt extrem fruchtig, fast schon bitter, ein bisschen mehlig und leider überhaupt nicht süß. Ein halber Liter des immer frisch und kalt zubereiteten Fruchtfleisches kommt pro Mahlzeit auf den Tisch. Belém soll 200.000 kg Açaí pro Tag verbrauchen und zwar immer frisch ohne kochen oder konservieren. Belém hat einen eigenen Açaímarkt, wo in aller Frühe die beladenen Boote mit den Früchten von überall her kommen und verkaufen. Hier decken sich die Restaurants, die Küchen und die Haushalte mit frischem Açaí ein.
In ganz Brasilien sind Eis und Shakes aus gezuckertem und gefrorenem Açaífruchtfleisch der Renner. Die dunkle, kräftig blaue Farbe und der stark fruchtige Geschmack verrät es. Açaíbeeren haben extrem viele sekundäre Pflanzeninhaltsstoffe und Vitamine. Deswegen wird Açaí auch als teures Pülverchen und Pillen in deutschen Gesundheitsläden und Reformhäusern verkauft. Etwas lächerlich, wenn man weiß wieviel Açaí die Einheimischen essen. Die im Amazonasdelta überall wachsende Açaípalme ist ein Gruß aus der Vergangenheit und ein Geschenk an die Zukunft. Effiziente Landwirtschaft (Permakultur) mitten im Überschwemmungswald anstatt auf ausgetrockneten, gepflügten Feldern. Jahrzehnte erntbare Bäume mit hoher Verdunstung und Erosionsschutz im Naturwald anstatt nur wenige Monate alte Soja oder Reispflanzen in Monokultur.
Belém und der letzte Tag
An unserem letzten Tag vor dem Heimflug besuchten wir den Stadtpark: Sumaúma-Bäume mit Brettwurzeln stehen da neben den allgegenwärtigen hundertjährigen Mangobäumen. Eine ins Amazonasufer gebaute 10 m hohe Aussichtsplattform auf Stelzen wird fast erreicht von den typischen Uferpflanzen mit ewig langem Stielen und fleischigem Laub. Eine Schildkröte taucht unter im trüben Teichwasser und die edlen, schneeweißen Garças (Reiher) stehen an jeder Ecke. Ein heftiger Regen überrascht uns und wir suchen Schutz im Besucherglashaus. Es gibt eine kleine Ausstellung über die Indianer des Xingus, eine Region und großer südlicher Nebenfluß des Amazonas. Eine Xingufamilie wurde aus fast 3000 km eingeflogen für das Projekt. Genau die Xingus wo der Archäologe Michael Heckenberger gerade echte Städte ausgraben hat. Im Xingu gab es selbstversorgende Gartenstädte mit mindestens 15.000 Einwohnern, mit einem einzigartigen Design aus eng zusammen liegenden Runddörfern mit je 1000 Bewohnern. In der Mitte des Dorfes war ein großer runder Platz, Langhütten bildeten einen Kreis und dahinter waren die Gärten in denen man heute Terra Preta findet. Die Xingufrau im Park in Belém bemalte uns mit traditionellen Mustern. Die Farbe ist ein Gemisch aus Holzkohle und der Frucht Jenipapo und hält zwei Wochen auf der Haut. Soweit eine Verständigung möglich war, erfuhren wir ein wenig über die Herstellung von Holzkohle in Erdgräben und aus Laubhaufen. Mit traditionell lebenden Amazonasbewohnern hatten wir die ganzen sechs Wochen keinen Kontakt und auch keinen versucht. Diese Gruppen leben heute zu abgeschottet und geschützt von brasilianischen Behörden. Nach 500 Jahren eingeschleppter Krankheiten, Versklavung und Tötung ist die Vorsicht groß. Bis heute gibt es manchmal blutige Auseinandersetzungen um große Landnahmen oder wegen neuer Riesenstaudämme. Mit den heutigen Bewohnern unterhielten wir uns immer wieder über Terra Preta in Manaus, Novoa Airão, Marajó oder Alter do Chão. Das Interesse war eher gering. Die Geschichten über große Zivilisationen, viele Millionen Menschen in Amazonien und eine hochstehende Landwirtschaft, konnten die Einheimischen kaum glauben.
Unsere Reise ist nach sechs Wochen zu Ende. Vom Flugzeug aus sehen wir nochmal die Urgewalt dieser Landschaft aus Wasser und Wald. Ein letzter Gruß: Wir kommen wieder!
Gefahren und Hoffnung für Amazonien
Der Regenwald des Amazonas ist meist 20 bis 30 m hoch: schlanke Bäume, Palmen, Lianen, Farne und krautiger Unterwuchs. Doch halt! Da fehlt doch ein Stockwerk. Ganz selten mal, alle paar Kilometer sieht man einen Urwaldriesen der aus dem Baummeer heraus ragt. 40, 50 oder 60 m hoch, mächtige Stämme mit Brettwurzeln und manchmal hohl. Wie der mächtige Sumaúma.
Das Stockwerk der Baumriesen fehlt fast völlig in den Regenwäldern, die wir gesehen haben. Zu wertvoll ist das Tropenholz, zu einfach der illegale Einschlag mit Kettensägen und viele Jahrzehnte braucht der Wald bis sich neue majestätische Bäume über die 30 m Grenze schieben. Die fehlenden Baumriesen kosten ökologische Stabilität, reduzieren die Verdunstung und die Wolkenbildung, aber im Großen und Ganzen funktioniert der Regenwald auch ohne Riesenbäume.
Schlimmer sind die vielen zehntausende Hektar großen Sojafarmen, die genmanipuliertes Soja für den Export nach Europa als Viehfutter anbauen, auf gepflügten, ausgedörrten, heißen Flächen. Bei Belterra sahen wir solche endlosen Sojawüsten, hier ist die Verdunstung und Kühlung zusammen gebrochen. Auch für Rinderweiden werden Regenwälder abgeholzt. Die dünne lückige Grasdecke der Rinderweiden schafft nicht die nötige Verdunstung. Oft reißt der Regen metertiefe Erosionsrinnen in Ackerland und Weiden.
Wir haben natürlich nur einen kleinen Ausschnitt des riesigen Amazoniens gesehen, können also keine endgültigen Aussagen treffen. Wir glauben der riesige, amazonische Regenwald wird nicht zerstört werden. Aber er wird noch etwas weiter an Qualität und Verdunstungsleistung verlieren, bevor die Menschen wieder weise werden. Das ist vor allem gefährlich für die Randgebiete und die angrenzenden Gebiete bis zum 3000 km entfernten Sao Paulo denen Trockenheit und Verwüstung droht, wenn der Wassermotor des Regenwaldes, der auch sie versorgt, ins Stottern gerät.
Das Schöne am Regenwald ist, das er schnell wieder nachwächst. In nur wenigen Jahren ist wieder eine dichte Pflanzendecke aufgewachsen, wenn es auch länger braucht, bis der Wald die alte Qualität erreicht hat. Mit Hilfe des Menschen geht es noch schneller. Ein kleines Wunder ist die Aufforstung von Sebastião Salgado in Minas Gerais, Brasilien. In Paraguay schafft es der Gärtner Andreas Pfeiffer in nur vier Jahren einen fünf bis zehn Meter hohen, hochproduktiven Frucht-, Nuß- und Holzwald zu etablieren, besser als die ursprünglichen Erschaffer des Gartens Amazonien. Andreas Pfeiffer nutzt selbst hergestellte Terra Preta, Mulch und schnell wachsende Schirmbäume. In Indonesien hat Willie Smits für sein Orang-Utan-Projekt in einer ausgetrockneten Grassteppe innerhalb weniger Jahre einen Regenwald gepflanzt, der nachweisbar über hunderte Quadratkilometer mehr Wolken und Regen erzeugt. Auch Willie Smits nutzt Terra Preta und Schirmbäume. Wasserknappheit, Wüsten und Mangel werden kein Thema mehr sein, wenn wir den natürlichen Wasserkreislauf und Bodenfruchtbarkeit verstehen und anwenden. Auf der ganzen Welt arbeiten, Gärtner, Bauern und ganz normale Menschen an einer Versöhnung von Mensch und Natur. Die Lehren des Amazonas werden dabei helfen : naturnahe Fruchtwälder und Terra Preta!
Weiterführende Links:
Webseite der Firma von Marko Heckel
www.triaterra.de
Homepage von Terra Preta-Forscher Gerhard Bechthold (mit Informationen zu Belterra und ganz Amazonien)
http://www.gerhardbechtold.com/TP/gbtp_ger.php
Wiederaufforstungsprojekt von Sebastião Salgado in Minas Gerais, Brasilien
www.institutoterra.org/eng/
https://www.ted.com/talks/sebastiao_sal ... hotography
Wiederaufforstungsprojekt von Willie Smits in Indonesien
http://www.sambojalodge.com/AboutBOSFou ... jaLestari/
http://www.ted.com/talks/willie_smits_r ... rainforest
Wiederaufforstung von Andreas Pfeiffer in Paraguay
http://www.theparenttreefarm.de/
http://quer-denken.tv/index.php/mfv-tv/ ... uay-teil-1
16. TriaTerra-Blog Amazonasreise 2015 auf den Spuren von TP
-
- Beiträge: 188
- Registriert: So 26. Sep 2010, 21:00
Re: 16. TriaTerra-Blog Amazonasreise 2015 auf den Spuren vo
Hallo, lieber Marko !
Danke für den interessanten Reisebericht. Sehr beneidenswert..... Ich wünsche Amazonien, das es solange wie möglich so bleibt wie Du beschrieben hast.
lg. elis
Danke für den interessanten Reisebericht. Sehr beneidenswert..... Ich wünsche Amazonien, das es solange wie möglich so bleibt wie Du beschrieben hast.
lg. elis