17. TriaTerra-Blog Wandernde Pflanzen - Neophyten

Kommentare willkommen
Antworten
Marko Heckel
Beiträge: 188
Registriert: So 26. Sep 2010, 21:00

17. TriaTerra-Blog Wandernde Pflanzen - Neophyten

Beitrag von Marko Heckel »

Wandernde Pflanzen – Neophyten


Ich bewundere und suche Pflanzen die Höchstleistungen vollbringen, Pflanzen die vor Lebendigkeit und Kraft überfließen und sich überall verbreiten. Wir brauchen heute diese Lebendigkeit um die menschlichen Werke zu reparieren. Die höchsten und mächtigsten Bäume: Mammutbäume, Douglasien, Eukalyptus (Neophyt in Südamerika und Asien). Die am schnellsten wachsenden Bäume: Blauglockenbaum, wieder Eukalyptus, Albizia (tropisch) oder unsere Weide (Neophyt in Australien). Die widerstandsfähigsten Pflanzen, wie Staudenknöterich und Topinambur, die man partout nicht umgebracht bekommt und die Wald-, Wegränder und Ufer begrünen. Der Wüstenbaum Prosopis juliflora (auch Algaroba/Mesquite aus Chile) der im Alleingang die Wüsten dieser Welt in Wald und Buschland verwandelt, Sanddünen stoppt und dafür vom Menschen noch bekämpft wird, „Weil er fremd ist!“.

Zu Hause haben wir die Robinie. Dieser aus Nordamerika eingewanderte, schnell wachsende Baum wächst gerade auf schlechtesten Böden. Er bindet Stickstoff, verbessert den Boden, schenkt uns edlen Akazienhonig und hat auch noch das härteste und dauerhafteste Holz aller bei uns wachsenden Bäume. Eiche ist nichts gegen Robinie. Auf aufgelassenen Baustellen, Bahndämmen und verwüsteten Braunkohlehalden kommt die Robinie schnell von selbst und heilt die Wunden.

Ein Segen für unsere Bienen, Hummeln und Schmetterlinge ist das indische Riesenspringkraut. Es blüht durchgehend von Juli bis zu den ersten Frösten im November und verschenkt unerschöpflich viel Nektar. Um einen drei Meter hohen Springkrautbestand summt und brummt und flattert es ununterbrochen. Das drüsige Springkraut wächst jedes Frühjahr neu aus kleinen Samen und überwuchert dabei sogar Brennesseln.

Jedes Bundesland, jeder Staat und viele Naturschutzverbände pflegen heutzutage Schwarze Listen. Auf den Teufelslisten stehen invasive, fremde Pflanzen. Im Kampf gegen diese darf der Naturschützer zum Tier werden. Da wird flächendeckend mit den schlimmsten Pflanzengiften gesprüht (Glyphosat), tagelang mit Traktor, Bagger oder Machete im Naturschutzgebiet gewütet oder tausende Quadratmeter lebendige Seeuferzone mit schwarzer Teichfolie erstickt (gegen großblütiges Heusenkraut). Man denkt man wäre in einem Science-Fiction-Film. Jede Bosheit wird den neuen Pflanzen angedichtet. Gerne angeblich Allergie auslösend obwohl gar nicht windbestäubend (Riesenknöterich), angeblich keine Nahrung für einheimische Tierwelt (siehe drüsiges Springkraut und Insekten) oder Erosionsauslösend obwohl gerade diese neuen Pionierpflanzen gestörte offene Flächen besiedeln und Erosion verhindern. Die Biodiversität soll durch die Teufelspflanzen gefährdet sein und einheimische Arten verdrängt werden. Dagegen ist Europa seit der letzten Eiszeit vor 12.000 Jahren eines der artenärmsten Gegenden der Welt und braucht für die ökologische Stabilität dringend die neuen Arten.

Fakt ist: ein intaktes, diverses Ökosystem, wie einen naturnahen Wald, können neue Pflanzenarten nur selten und wenn, dann nur ganz langsam besiedeln. Gerade die invasiven Pflanzen sind aber Pionierpflanzen, die sich nach Abholzung, Verwüstung und Störung schnell ausbreiten, die Pflanzendecke wieder herstellen, den Boden schützen und den Wasserkreislauf wieder schließen, also mit Verdunstung kühlen. Genau gegen diese Pflanzen wird mit Gift, Maschinen und Gewalt vorgegangen. Aussichtslos und witzig, denn natürlich besiedeln genau die gleichen, schnellen Pionierpflanzen wieder die verwüsteten Flächen. Die üblichen Firmen verdienen daran und die Verwaltung wuchert an diesem närrischem Kampf. Viel intelligenter wäre es einzelne Problemzonen mit dem Aussäen und Etablieren konkurrierender Pflanzen zu entschärfen. Z.B. mit immergrünen Büschen (Stechpalme), Efeu oder Waldrebe unter Springkraut und Knöterich. Mehr Leben statt sinnlose Vernichtung.

Die neuen Pflanzen sind vor allem unglaublich lebendig. Diese Lebendigkeit berührt in vielen von uns Urängste. Wir mußten unsere eigene Lebendigkeit einsperren, kontrollieren und verleugnen, um in unserer Gesellschaft des Todes zu bestehen. An diesen Verlust erinnert zu werden, diesen Schmerz nochmal zu erleben gefährdet unser ganzes, sorgfältig konstruiertes Selbst. In dieser emotional gefährlichen Situation bricht Gewalt und Haß aus uns heraus und es sind ja schließlich nur abgrundtief böse Pflanzen.

Viel spannender ist es zu verstehen warum diese neuen Pflanzen so erfolgreich sind und wie man ihre Kraft optimal einsetzen kann, für die Natur und den Menschen. Die schwarzen Listen sind eine Goldgrube. Gehen wir los mit der Schwarzen Liste unterm Arm und der Tüte mit gesammelten Samen in der Hand und bringen wir die heilenden Pflanzen dahin, wo sie gebraucht werden: auf Kahlschläge, Müllkippen, Kiesgruben, Feldwege, Waldränder, auf Bahndämme und Baustellen, in die Stadt und aufs Land. Der Mensch ist der große Sämann.

Ich werde hier im Blog demnächst einige besonders starke, faszinierende Pflanzen besingen. Wie die Robinie, den Eukalyptus, Algaroba und Albizia. Wer mehr über wandernde neue Pflanzen und schwarze Listen erfahren will, dem empfehle ich das Buch „Wandernde Pflanzen“ von Wolf-Dieter Storl in unserem Shop. Storl macht uns in seinem Buch mit den neuen Mitbewohnern bekannt, ihrer Geschichte, ihrer Nützlichkeit und ihrer ökologischen Bedeutung.
michnoed
Beiträge: 18
Registriert: So 1. Nov 2015, 19:51

Re: 17. TriaTerra-Blog Wandernde Pflanzen - Neophyten

Beitrag von michnoed »

Sehr interessanter beitrag. ich hab mir auch schon viele Gedanken über dieses Thema gemacht und bin zu endlichen Schlüssen gekommen.

zum Riesenspringkraut hätte ich noch ein par fragen kommt es mit den saurem Boden eies Nadelwaldes klar? diese pflanze könnte sehr interessant sein um den Boden zu verbessern da sie eine grosse Menge leicht abbaubarer Biomasse produziert, also genau das was diesen versauerten mit schwer abbaubaren Nadelstreu bedeckten Böden fehlt. nach Georg Meister währen eigentlich heimische arten wie Hasenlattich, Türkenbund oder das Waldweidenröschen dafür zuständig. diese Pflanzen werden aber von den vielerorts überhöhten Wildbeständen so stark verbissen das sie keine Change haben(ich möchte hierzu dieses Buch empfehlen:" Tatort Wald: Von einem, der auszog, den Forst zu retten" ) da die Rehe das Springkraut nicht mögen scheint es für diese Aufgabe geeignet. Ausserdem kann das Riesenspringkraut mit Stickstoff Überschuss umgehen und könnte so den für unsere Wälder schädlichen Stickstoffeintrag aus der Luft in wertvolle Biomasse umwandeln was auf Dauer die Fruchtbarkeit und Wasserspeicherfähigkeit des Bodens erhöht. (Humusaufbau nach Gerald Dunst) hat jemand schon mahl das riesenspringkraut im Nadelwald beobachtet und kann allenfalls ne Aussage über die Bodenaktivität machen?

Staudenknöterich diese Pflanze habe ich schon mehrmals in Intakten Laubmichwäldern beobachtet. In der Krautschicht ist er neben den anderen Pflanzen kaum aufgefallen. es scheint wen er nicht übermässig viel Licht geniest bleibt er eine von fielen pflanzen. allerdings macht er an den Flussläufen wirklich Probleme da er dort geschlossene Bestände bildet und da er nicht gerade über viele oberflächliche wurzeln verfügt ist er keinen Schutz vor Erosion sondern fördert diese eher noch.
wenn die Bedingungen stimmen (wen ein Ökosystem stark genug gestört ist)Können auch Einheimische Pflanzen wie Brombeere oder Adlerfarn Reinbestände Bilden

zum ökologischen wärt nicht einheimischer Gehölze. der erste Gedanke ist das diese nicht al zu vielen Arten etwas nützen. ich möchte das auch nicht ganz verneinen. allerdings muss man Gerade alte Bäume etwas anders betrachten. z.b Tiere die auf Höhlungen angewiesen sind interessiert es nicht besonders ob die Höhle nun in einer Eiche oder Robinie ist. auch gibt es viele Insekten die auf bereits zersetztes holz angewiesen sind. diese Zersetzung passiert durch Pilze wie dem Schwefelporling (eiche, Robinie oder Prunus) dem Schupigenporling (Linde Ahorn Rosskastanie) oder dem Zottigenschillerporling (Esche Platane Nussbaum) um einige Beispiele zu nennen. ich glaube das viele dieser Insekten eher auf einen Pilz spezialisiert als auf eine Baumart.

Neophyten VS Gebitsfrämde Organismmen
ich behaupte jetzt einfach mahl das die Veränderung die eine Fichten oder Föhrenmonokultur in einem Ökosystem bewirkt durch die allermeisten Neophyten unerreicht bleibt. allerdings aus einer Monokultur einen mischbestand zu machen ist wohl wesentlich leichter als eine invasive Pflanze zu entferne/einzudämmen

noch was: wie nennt man eine Pflanze die so gut an unser Stadtklima angepasst ist das sie nicht nur prächtig gedeiht sondern sogar in der Lage ist sich in diesem unwirklichen Lebensraum auszubreiten... ich denke Neophyt dürfte rächt träfend sein.
gruss michnoed
Antworten